Sphere (01.2020) - 2018 erreichte die Union Bancaire Privée praktisch wieder das 2007 verzeichnete Kundenvermöge, das aufgrund der Krise auf 65 Milliarden Ende 2010 gesunken war. Seither ist es der Bank gelungen, ihre Grösse zu verdoppeln und sich neu aufzustellen, um auf Wachstumskurs zu bleiben.
Im Rahmen der Berichtssaison für das erste Halbjahr 2018 fand eine imponierende Zahl mit Symbolcharakter kaum Beachtung. Kaum jemand interessierte sich übermässig für eine Kennzahl, die für Guy de Picciotto, Chief Executive Officer der Union Bancaire Privée, allerdings eine ganz besondere Bedeutung hat. Am 30. Juni 2019 belief sich das verwaltete Vermögen der Bank auf 134 Milliarden Franken, eine Zahl, mit der die Ende 2007 verzeichneten Rekordniveaus von 136 Milliarden Franken praktisch wieder erreicht wurden. 2007 – das war vor dem Ausbruch der Finanzkrise und vor dem Madoff-Skandal, der die Bank in der Rue du Rhône in ihren Grundfesten erschütterte und sie in einen Strudel aus „Blood, Sweat & Tears“ riss, wenngleich dies im Endeffekt weniger dramatisch war als es zuerst den Anschein hatte.
Beschränkt man sich auf die blosse Lektüre der Finanzausweise, schrillen natürlich die Alarmglocken. Ende 2010 war das verwaltete Vermögen auf 65 Milliarden Franken gesunken. Es war ein gähnendes Loch entstanden, das sich nicht allein durch die Veruntreuung von Bernard Lawrence Madoff erklären liess, der am 12. Dezember 2008 verhaftet und in der Folge zu 150 Jahren Gefängnis verurteilt worden war. „Wir waren immer sehr vorsichtig und diese Investitionen machten lediglich zwei Prozent des Portfolios aus, doch aufgrund der Dimension des Skandals war das bereits zu viel“, kommentierte Guy de Piciotto einige Jahre später.
Anfangs war es vor allem der Absturz der Hedgefonds-Branche – als Folge der Deregulierung der Märkte und der Zentralbankinterventionen –, der auch der UBP einen Tiefschlag versetzte. Die Bank hatte mit diesen alternativen Investments viel Geld verdient, die daher einen entsprechend hohen Anteil ihrer Portfolios repräsentierten.
Um wieder ein Niveau von 134 Milliarden Franken zu erreichen, musste die UBP ihre Grösse in nur acht Jahren verdoppeln. Das war keine leichte Aufgabe. In Spanien wird Vergleichbares von Fussballfans als Remontada bezeichnet, wie beispielsweise im Spiel FC Barcelona gegen Paris Saint-Germain im Achtelfinal-Rückspiel der UEFA-Champions- League-Saison 2017. Nach einem 4:0 im Hinspiel gewann der FC Barcelona das Spiel im Camp Nou überraschend mit 6:1. Der Stoff, aus dem auch das Comeback der UBP gemacht ist, denn die Picciotto-Familie hat sich nicht anzählen lassen. Zu keiner Zeit hat sie das Handtuch geworfen, als andere, weniger streitbare Banken, aufgegeben und an den Meistbietenden verkauft hätten.
In der Rue du Rhône herrschte nie Untergangsstimmung im Sinne von „Rette sich wer kann!“. „Edgar und Guy de Picciotto sind mitnichten in Panik verfallen“, erinnert sich Jérôme Koechlin, damaliger Generalsekretär und Kommunikationsdirektor der UBP, der mit ihnen gemeinsam die Krise gemeistert hat. Später wurde er Sekretär des Exekutivausschusses und Kommunikationsdirektor in der Reyl-Gruppe. „Sie blieben bemerkenswert ruhig und gaben sich nicht damit zufrieden, lediglich Risse zu kitten,“ fügt er hinzu. „Umgehend planten sie den Neuaufbau und wollten sichergehen, dass die neuen Fundamente der Bank ausreichend solide sein würden, um derartige Vorfälle in Zukunft zu vermeiden. In der Krise sahen sie vor allem eine Chance.“
In Anbetracht des Endes des Bank- und Steuergeheimnisses, der Strafexpeditionen des US-Justizministeriums und des Pessimismus, der die Märkte im Griff hielt, war die Union Bancaire Privée nicht das einzige Institut mit schwerem Ballast. Die Picciotto- Familie sah diese Rahmenbedingungen jedoch als Chance für neue Ideen, Methoden und Horizonte.
Und für neue Mitstreiter. Für die Remontada der UBP und die für einen perfekten Return notwendige Schlagkraft umgab sich die Familie mit erfahrenen Fachleuten, die in der Lage waren, einen – vorsichtig ausgedrückt – ambitionierten Plan in die Tat umzusetzen. Dieser Plan war relativ simpel. Es ging lediglich um die Neuerfindung des Asset Managements, das Revamping des Private Banking, die internationale Expansion, die Umstrukturierung der Gruppe und die Übernahme anderer Institute, sofern sich am Markt günstige Gelegenheiten böten. Eine Kleinigkeit. Und alles musste extrem schnell gehen. An Deck des neuen Schiffs beriefen Edgar und Guy de Picciotto deshalb drei erste Offiziere oder „XO“, wie es in der Royal Navy heisst – drei Skipper, die das Zeug für dieses Abenteuer mitbrachten. Zur Crew stiessen deshalb Ian Cramb für das operative Geschäft, Michel Longhini für das Private Banking und Nicolas Faller für das Asset Management.
Ian Cramb, inzwischen Chief Operating Officer, wechselte 2009, das heisst vor mehr als zehn Jahren, von Citi zur UBP. Im Gepäck: sein Handbuch für „Get Global“ und Organigramme.
„In der ersten Zeit bei UBP war nicht die Aufarbeitung der Krise, sondern die komplette Reorganisation von IT, HR und Backoffice-Logistik die grösste Herausforderung.“
„Ihre Bewältigung war die Voraussetzung für die Implementierung der neuen Strategie. Auf Managementebene mussten ebenfalls sehr viele Prozesse eingeführt werden. Die ersten zwölf bis achtzehn Monate waren deshalb besonders schwierig.“
Allmählich entstand dann das Gerüst und die Geschäftsbereiche nahmen Gestalt an. Nicolas Faller kam 2010 von Fortis zur UBP, um die Leitung des Asset Managements zu übernehmen. Sein Ziel war die Erweiterung des Angebots.
„Es bestand der starke Wunsch, das Angebot zu erneuern. Ich verfügte über einen umfassenden Spielraum für die Umsetzung von Projekten, und ich habe dieses Vertrauen sehr zu schätzen gewusst“,
erklärt er. „Ich hatte völlige Freiheit bei der Einstellung von Mitarbeitern für meine Teams und die Wahl der Märkte, die wir prioritär ins Visier nehmen mussten. Nur ein Beispiel: Vor der Krise war die UBP nicht in Japan präsent. Mittlerweile beläuft sich das verwaltete Vermögen in Japan auf sieben Milliarden – diese Zahl haben wir ausschliesslich mit organischem Wachstum erzielt. Es ist uns gelungen, die richtigen Teams zusammenzustellen und die richtigen Produkte zu entwickeln.“
Als Nicolas Faller zur UBP stiess, bestand das Angebot überwiegend aus alternativen Anlagen. Inzwischen entfallen innerhalb des vom Asset Management verwalteten Vermögen von 43 Milliarden nur 7 bis 8 Milliarden auf Hedgefonds. „Meine Aufgabe bestand darin, das alternative Segment neu auszurichten, denn es war keine Frage, dass wir hier positioniert bleiben wollten, um das bisher noch sehr schwache Geschäft mit Long-Only-Strategien zu entwickeln. Hierzu mussten wir die erforderlichen Kompetenzen aufbauen bzw. Partnerschaften mit den besten Fondsmanagern schliessen, für die unsere Vertriebskapazitäten attraktiv sind.“ Die UBP, die bisher besonders für ihre Spezialisierung auf alternative Investments bekannt war, hat sich mittlerweile auch in anderen Segmenten einen vergleichbaren Ruf erworben, vor allem im Management börsennotierter Anleihen wie High-Yield-Papiere sowie Unternehmens-, Schwellenländer- und Wandelanleihen.
In dieser Zeit hat auch das Private-Banking- Geschäft kräftig expandiert. Während das Asset Management sein verwaltetes Vermögen in weniger als zehn Jahren vervierfacht hat, baut das Private-Banking-Geschäft seine Kapazitäten gezielt aus und setzt auf eine aggressive Übernahmestrategie. Diese begann 2011 mit der Übernahme der schweizerischen Tochtergesellschaft von ABN AMRO, gefolgt von der Übernahme der internationalen Aktivitäten von Lloyd’s; abschliessend erfolgte im Jahr 2016 die Integration von Coutts International, die Wealth- Management-Sparte der Royal Bank of Scotland. Die Übernahmen von Coutts ist wohl die prestigereichste, vor allem aber die strategisch wichtigste. Immerhin verwaltet Coutts ein Vermögen von 14 Milliarden Franken, beschäftigt 250 Mitarbeiter in Hongkong und Singapur und öffnet damit die Tore für das Asiengeschäft der UBP, die bisher nur mit rund zwanzig Mitarbeitern in Singapur präsent war. Mittlerweile beläuft sich das Volumen des Asset-Management und Private-Banking-Geschäfts auf dem asiatischen Markt auf über 25 Milliarden Franken! «Bereits lange vor dem Ende des Bank- und Steuergeheimnisses stand für Edgar und Guy de Picciotto fest, dass die Bank sich intensiver auf ihr Auslandsgeschäft und nicht mehr nur auf den Schweizer Markt konzentrieren müsse, um das Wachstum der UBP zu beschleunigen“, betont Ian Cramb. „Als ich 2009 zum Unternehmen kam, waren über 80 Prozent unserer Mitarbeiter in der Schweiz tätig. Heute sind es knapp zwei Drittel, denn unsere wichtigsten Wachtumsvektoren liegen im Ausland.“
Insgesamt hat das Geschäftsmodell der UBP für 2020 mit dem Modell für 2010 nichts mehr gemeinsam. Die Bank hat Chassis und Hubraum vergrössert, ist in eine andere Klasse aufgestiegen – ihr Potenzial ist noch lange nicht erschöpft. Obwohl ein verwaltetes Vermögensvolumen von 134 Milliarden angesichts des bisherigen Parcours bereits überaus imponierend ist, gibt es noch eine zweite, genauso aussagekräftige Kennzahl: die Cost-Income-Ratio, die rund 65 Prozent beträgt und verdeutlicht, wie kontrolliert die UBP ihr Wachstum vorantreibt. Die Roadmap der Bank steht deshalb auf sehr soliden Beinen und wird sich so schnell nicht ändern. Das Auslandsgeschäft, allen voran der europäische Markt, und die Entwicklung des Asset Managements mit einem ausgeprägten Schwerpunkt auf Private Assets, sind die wichtigsten strategischen Achsen. Man könnte zurecht annehmen, dass für die UBP nun das Schlimmste ausgestanden ist, aber das entspricht nicht der Mentalität der Bank. „Sobald man anfängt, so zu denken“, lächelt Ian Cramb verschmitzt, „schläft man ein“.