Der CEO der Vermögensverwaltungsbank Union Bancaire Privée setzt auf akquisitorisches Wachstum.
Die Genfer Privatbank UBP hat im vergangenen Jahr 150 Vermögensverwalter eingestellt, die Hälfte davon in der Schweiz. CEO Guy de Picciotto sieht künftiges Wachstum für seine Bank primär im Ausland. Dass internationale Abkommen ihm dabei helfen könnten, dies Illusion macht er sich nicht.
Herr de Picciotto, wo lohnt sich das Investieren am meisten?
In einer Dreijahresperspektive bin ich von der Überlegenheit der US-Wirtschaft überzeugt. Die USA sind immer noch der grösste und effizienteste Finanzmarkt.
Was denken Sie über Europa?
Alle europäischen Länder haben enorme Binnenprobleme. Die Schweiz sollte mit allen Mitteln versuchen, eine Insel zu bleiben und gleichzeitig die Brücken zu Europa zu pflegen. Aber machen wir uns nichts vor: Den ungehinderten Marktzugang nach Europa können wir Schweizer Banken vergessen. Die grossen Banken haben sich organisiert und operieren teilweise aus Luxemburg heraus. Und wir konnten die verwalteten Vermögen aus Europa steigern.
Welche Auswirkungen haben die Kriege und Spannungen auf das Bankgeschäft?
Unruhen festigen generell die Stellung der Schweiz als sicherer Hafen - ausser in den Augen der russischen Kunden.
Die Nachfrage nach nachhaltigen Investitionen wird überschätzt.
Sie sprechen das Sanktionsregime an?
Die Umsetzung der Sanktionen ist für die Finanzindustrie teuer und kompliziert. Unsere Experten treffen sich jeden Morgen, um die Situation einzuschätzen. Es gibt eine Kakophonie der Vorschriften, die sich teilweise widersprechen.
Erwarten Sie, dass russische Vermögen konfisziert werden?
Bereits heute werden Zinsen und Dividenden den sanktionierten Russen nicht gutgeschrieben. Für Konfiskationen sollten wir nicht leichtfertig Hand bieten. Wenn global nach denselben Prinzipien konfisziert wird, kann die Schweiz mitmachen. Sonst nicht.
Wird UBP weiterhin zahlreiche Übernahmen tätigen wie in der Vergangenheit?
Wenn es eine Gelegenheit gibt, können wir zuschlagen.
Wie viel Mittel stehen zur Verfügung?
Reichlich. Denn die Bank kann bei Bedarf auf die Unterstützung der Familien-Holding zählen.
Beschreiben Sie den typischen UBP Kunden.
Es gibt keinen typischen UBP-Kunden. Wir haben die unterschiedlichsten Kunden: von Unternehmer, Institutionelle, wohlhabende Erben. Unsere Kunden sind sehr international.
Welchen Anteil machen die Schweizer Kunden aus?
Im Wealth Management verwaltet UBP ungefähr 4 Mrd. Fr. von Kunden mit Domizil in der Schweiz. Wir sind eine gut positionierte Bank für Personen, die ihren Wohnsitz in die Schweiz verlegen.
Wie hat sich das Verhalten der Kundschaft in den letzten Jahren verändert?
Die Tiefzinsphase vor und während der Covid-Pandemie veranlasste viele Investoren, riskantere Anlagen zu tätigen, um die Renditen zu sichern. Seit die Zinsen gestiegen sind, investieren die Kunden vermehrt in Festverzinsliche sowie in Treuhandgelder und Geldmarktfonds. Das hat bewirkt, dass die Kunden an den Märkten weniger aktiv waren. Als Folge sind im vergangenen Jahr die Kommissions- und Gebühreneinnahmen gesunken. Dafür ist der Zinsertrag stabil geblieben.
Verfügt UBP überhaupt über die richtigen Produkte, um dieser Veränderung gerecht zu werden?
Selbstverständlich! Unsere breite Kundenbasis verlangt nach einer Vielfalt von Produkten. Dank unserer Asset-Management-Sparte haben wir bedeutende Flaggschiff-Anlagefonds und eine breite Produktpalette, die wir selber managen. Damit decken wir die wichtigsten Anlagebedürfnisse und Vermögensklassen ab. Wir haben auch eine gezielte Expertise entwickelt, beispielsweise in High-Yield- und Schwellenländeranleihen sowie in Unternehmenskrediten.
Was ist heute bei den Anlegern en vogue?
Hedgefonds erfreuen sich wieder grösserer Beliebtheit. Gefragt sind thematische Anlagefonds, beispielsweise zu künstlicher Intelligenz. Jüngere Anleger interessieren sich zudem für Privatmarktanlagen und Nachhaltigkeit.
Das bietet doch jede Bank, oder?
Wir sind seit Jahren in Privatmarktanlagen tätig und bieten unseren Kunden einen direkten Zugang zu ausgesuchten Projekten.
Und was zieht bei ESG-Anlagen (nachhaltige Anlagen in Bezug auf Ökologie, Soziales und Governance)?
Im Vordergrund steht meistens der Aspekt Klimaschutz. Doch insgesamt wird die Nachfrage nach nachhaltigen Investitionen überschätzt. Wir haben kürzlich eine Umfrage bei unseren Privatkunden zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen durchgeführt. Nur 15 % von ihnen sind daran interessiert, ESG und Nachhaltigkeitsthemen in ihr Portfolio zu integrieren. Den meisten Kunden geht es beim Anlegen in erster Linie um die Rendite, und sie betrachten ESG als eine Einschränkung. Unsere Aufgabe ist es, dem Kunden zu ermöglichen, informierte Entscheidungen zu den Chancen und Risiken von ESG-Anlagen zu treffen.
Haben Ihre Kundenberater denn überhaupt die Wahl, was Sie empfehlen? Ist nicht die Empfehlungsliste der Bank so etwas wie die Bibel?
Bei uns ist der Kundenberater nicht eine blosse Nummer. Er muss nicht einfach verkaufen, was die Bank vorgibt. Wir können es uns leisten, nicht zu standardisieren.
Standardisierung dient der Kosteneffizienz – kein Thema bei UBP?
Das Thema ist bei den grossen Banken akuter als bei uns. Der grösste Kostendruck stammt von der Administration und der Compliance. Bei der Compliance gibt es wenig Grössenvorteile. Künstliche Intelligenz wird sicher eine Hilfe sein. Aber der regulatorische Druck wird deswegen nicht nachlassen. Zudem glaube ich nicht, dass Roboter das Anlegen übernehmen können oder sollten.
Was unterscheidet UBP von den anderen Genfer Privatbanken?
Alle bemühen sich um dieselben Kunden. Wir haben jedoch als Unternehmen eine andere Strategie und Geschichte. Erstens wurde die UBP vor 50 Jahren gegründet, und am Steuer steht eine Eigentümerfamilie. Aufgrund unserer Akquisitionen haben wir verschiedene Kulturen integriert, was uns wahrscheinlich ebenfalls von anderen Genfer Privatbanken unterscheidet.
Welche Rolle spielt der Standort Zürich für UBP?
In Zürich sind 23 Mrd. Fr. unserer verwalteten Vermögen gebucht, und wir beschäftigen rund 250 Menschen, womit wir in Zürich die grösste Vertretung einer Genfer Privatbank sind. Wir decken den Schweizer, deutschen und den osteuropäischen Markt ab sowie den Mittelmeerraum und den Nahen Osten.
Was bedeutet die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS für UBP?
Es ist für uns leichter geworden, offene Stellen zu besetzen. Die grossen Profiteure der Veränderungen sind aber die Kantonalbanken, die aufgrund ihrer Staatsgarantie hohe Vermögenszuflüsse verzeichneten.
Sollte die Schweiz von UBS ein grösseres Eigenkapitalpolster verlangen, um den Schweizer Finanzplatz sicherer zu machen?
Die gegenwärtigen Eigenkapitalanforderungen an UBS sind in Ordnung. Es hat keinen Sinn, diese Anforderungen zu erhöhen. Die CS ist nicht wegen mangelndem Eigenkapital in die Krise geraten.
Ich glaube nicht, dass Roboter das Anlegen übernehmen können oder sollten.
Wo sehen Sie die Gründe für das Ende der Credit Suisse?
Das Ende der Credit Suisse war nicht auf die mangelnde Erkenntnis der Probleme zurückzuführen. Es gab viele Warnsignale, doch sie führten nicht systematisch zu einem Massnahmenplan und angemessener Berichterstattung.
Sie sind über sechzig. Wie haben Sie Ihre berufliche Nachfolge geregelt?
Der Nachfolgeprozess wurde vor mehreren Jahren angestossen. Es sind bereits zwei Vertreter der nächsten Generation in der Bank tätig: Mein Neffe in Genf und mein Sohn, der im Sommer in London eingestiegen ist. Ich werde nicht so bald abtreten, bin aber sicher, dass ich in der Lage sein werde, das Erbe erfolgreich weiterzugeben.