Guy de Picciotto, CEO der Genfer Privatbank UBP, äussert sich zu einer Vielzahl von Themen – zur Bedeutung von Performancezahlen, zur Schwierigkeit, «grüne» Investitionen zu fördern und zu seinem Nachfolger.
Statt nur «Gesetze, Regulierungen und Vorschriften» zu erlassen, sollten die Behörden nicht auch die Banken und ihre Kunden zu nachhaltigem Investieren ermutigen? Diese Antwort gab uns Guy de Picciotto, auf die Frage, warum nur 10-15 Prozent der Kunden im Private Banking ihr Vermögen unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien anlegen wollen. Der CEO der Union Bancaire Privée (UBP, 2‘000 Mitarbeitende, 140 Milliarden Franken verwaltete Vermögen und 224 Millionen Franken Reingewinn in 2023) äussert sich zu transparenten Performancezahlen in der Vermögensverwaltung und warum er nicht so bald in Rente gehen will.
Wir leben in einer von Technologie und Transparenz geprägten Ära. Auf verschiedenen Plattformen können die Performancezahlen der Schweizer Vermögensverwalter untereinander verglichen werden. Wie denken Sie darüber?
Die Möglichkeit, Performancezahlen zu vergleichen, ist sicher eine gute Sache. Leider besteht die Gefahr einer Nivellierung nach unten. Diese Art von Transparenz ermutigt keine Risikofreudigkeit oder den Mut, eigene Wege zu gehen. Eine Performance ist das Resultat der Kombination einer Vermögensallokation und Anlageentscheidungen. Wenn das Risikoprofil eingehalten, die Vermögensallokation angepasst und geeignete Produkte ausgewählt werden, lässt sich die Performance in der Regel relativ gut vorhersagen. Dennoch kann sie beim Kunden Unzufriedenheit hervorrufen. Es kommt immer wieder zu Jahren mit schlechter Performance, daher ist es wichtig, stets einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren zu betrachten. Man sollte Expertise verkaufen, jedoch nicht die Performance, da letztere viele unvorhersehbare Faktoren mit sich bringt.
Performance Watcher ist eine dieser Plattformen. Demnach erzielt man eine bessere Rendite, wenn man in zwei Aktien-ETF und zwei Anleihen-ETF investiert.
Das hängt davon ab, welche Gewichtung man diesen ETF zuteilt. Wie gesagt, die Vermögensallokation ist der Schlüssel zum Erfolg. Dann gilt es, aus einer Vielzahl von Produkten zu wählen, um den Index zu übertreffen, zumindest in einigen Segmenten. Über einen Zeitraum von zehn Jahren ist es möglich, den Index die meiste Zeit zu schlagen, auch wenn dies in den USA wahrscheinlich komplizierter ist.
Wo kann eine Genfer Vermögensverwaltungsbank heutzutage Wachstum erzielen? In Dubai, Asien
oder Zürich?
Ich mag es nicht, Genf und Zürich gegeneinander auszuspielen. Die Schweiz ist ein einziger Finanzplatz mit internationaler Ausrichtung und einer im Laufe der Jahre verschobenen regionalen Fokussierung. Schweizer Vermögensverwalter finden sicher Wachstum im Nahen Osten, in Asien aber auch in Osteuropa, Russland ausgeschlossen. Die EU befindet sich eher im Rückstand, wie auch Lateinamerika. Zürich richtet sich an dieselben Kunden wie Genf, wobei sich ein grösserer Teil davon in Europa, im Nahen Osten oder im Inland befindet.
Wie wird sich die Beschäftigungslage in der Schweizer Vermögensverwaltung entwickeln? Braucht es mehr Mitarbeitende in der Nähe der Kunden? Also ausserhalb der Schweiz?
Die Nähe zum Kunden hat für Banker oberste Priorität. Diese kann über Vertretungen im Ausland geschehen. Um die Kundschaft in Asien zu betreuen, muss eine Bank in Singapur und Hongkong präsent sein. Für europäische Kunden ist Luxemburg sicher ein guter Standort. Im Nahen Osten sollte man mindestens einen Ableger in Dubai haben. Der Kernbereich des Geschäfts sollte aber in der Schweiz bleiben, die synonym für Qualität ist.
Bedeutet dies, dass in einigen Jahren Schweizer Banken mehr Personal im Ausland haben werden?
Nein, aber in den nächsten fünf bis zehn Jahren wird das Ausland grösseres Wachstum als die Schweiz aufweisen. Wahrscheinlich wird es auch einfacher sein, Banker im Ausland als in der Schweiz zu rekrutieren. Die Gesetzgebung zu grenzüberschreitenden Aktivitäten fördert das Wachstum im Ausland.
Haben Sie Leute von Credit Suisse eingestellt?
Ja einige, sicher weniger als andere Banken. Von den 150 im vergangenen Jahr eingestellten Personen war die Hälfte oder mehr Vermögensverwalter und davon stammt wieder die Hälfte von Credit Suisse.
Was halten Sie von nachhaltigen Anlagen?
Sie sind heute Bestandteil der regulatorischen Anforderungen. In der Schweiz, in Grossbritannien und Europa müssen wir eine gewisse Anzahl Vorschriften des Gesetzgebers einhalten. Ob wir nun den Planeten retten wollen oder nicht, sie sind ein wichtiger Bestandteil unserer Prozesse. Die Banken müssen die Nachhaltigkeit in die Vermögensverwaltung integrieren und ihre Kunden informieren.
Ist es Aufgabe einer Bank, ihren Kunden grüne Anlagen schmackhaft zu machen? Oder soll sie einfach darüber informieren?
Zum jetzigen Zeitpunkt ist es wichtig, die Kunden auf das bestehende Angebot aufmerksam zu machen. Wenn man die Kunden fragt, ob sie für ihre Anlagen Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen möchten, zeigen 10-15 Prozent Interesse daran. Bevor wir jemandem irgendetwas aufzwingen, sollten wir also zuerst das Wissen über nachhaltige Themen fördern. Interessanterweise handeln viele Kunden im Alltag im Sinne der Nachhaltigkeit, integrieren dieses Kriterium aber nicht unbedingt in ihre Vermögensverwaltung.
Wie erklären Sie den Anteil von 10-15 Prozent?
Mit einem Beispiel, was auch immer es wert ist: Alle wissen, dass Flugzeuge sehr viel CO2 ausstossen, aber alle wollen billig fliegen. So ist der Mensch: er weiss, was richtig ist, aber die anderen sollen danach handeln. Deshalb sind Information und Sensibilisierung der Kunden sehr wichtig.
Eine Lösung zur Förderung grüner Investitionen wäre es, Kundenberatern, die mehr Kunden davon überzeugen, höhere Boni zu zahlen. Dieses Vorgehen funktioniert meist gut in der Finanzwelt. Wie denken Sie darüber?
Ich bin strikt dagegen. Dass die Regulierungsbehörden Umweltsünder bestrafen, ist richtig. Aber einen Vermögensverwalter abzustrafen, der nicht grün genug ist, widerspricht der treuhänderischen Aufgabe des Bankiers. Es wäre sogar gefährlich, denn es könnte zu Greenwashing veranlassen.
Wie also können nachhaltige Investitionen gefördert werden?
Man versucht heute, diese Förderung über die Banken herbeizuführen, indem man Verpflichtungen oder Anlagerestriktionen verhängt. Die Regierungen könnten aber auch Anreize schaffen. Braucht es nur Gesetze, Regulierungen und Verbote, damit die Welt grüner wird? Könnte man nicht auch die Banken und die Kunden dazu ermutigen, nachhaltig zu investieren? Es gibt heute keine Initiativen in diesem Sinne.
Sie führen jetzt die UBP seit 26 Jahren und werden nächstes Jahr 65. Haben Sie schon ihre Nachfolge geplant? Haben Sie ein Jahr oder ein Ziel festgelegt?
Ich bin noch nicht bereit, in Rente zu gehen. Solange mir eine Rolle innerhalb der Bank zugeteilt wird, möchte ich bleiben. Mein Vater hat mir die Idee mitgegeben, dass wenn man ein Ziel erreicht hat, das nächste schon feststeht.
War es für Sie schon als Kind klar, dass Sie eines Tages in der Familienbank tätig sein oder diese sogar leiten würden?
Ich wollte immer in der Tech-Sparte im Silicon Valley arbeiten. Eines Tages wurde mir gesagt, dass es hier eine Bank gebe und es keinen Grund gebe, nach Kalifornien zu ziehen. Wusste ich schon immer, dass ich die Bank führen würde? Nein. Hatte ich den Ehrgeiz dazu? Ja, sicher.
Ihr Vater stand im Ruf, äusserst brillant zu sein, ein Genie. War es deshalb schwieriger, seine Nachfolge anzutreten? Haben Sie einen grösseren Druck gespürt?
Heute jährt sich sein Todestag zum achten Mal (das Gespräch fand am 13. März statt). Ich habe ihm oft gesagt, dass ich ihn nicht ersetzen würde, dass ich nicht tun könne, was er gemacht hat. Ich musste es anders angehen. Daher kam der zusätzliche Druck.
Was zeichnet Sie aus? Gibt es Dinge, die sie nicht übernehmen oder fortsetzen wollten?
Mein Vater war sicher ein Genie. Seine Kenntnisse und sein Talent im Börsenhandel, für Marktprognosen und seine Art, mit den Kunden zu interagieren. Er hatte einen anderen Führungsstil. Die Bank ist heute anders aufgestellt: Wir sind in 20 Ländern vertreten und beschäftigen 2’000 Mitarbeitende. Man muss sich mehr auf die operative Unternehmensführung fokussieren.
Haben Sie schon mögliche Nachfolger ins Auge gefasst?
Mein Neffe ist bereits als Marktleiter tätig und mein Sohn wird ab Oktober in der Niederlassung London arbeiten. Sie sind 38 beziehungsweise 32 Jahre alt und haben zuerst anderswo Erfahrung gesammelt. Mein Neffe war Onkologe und mein Sohn hat nach einem Abstecher bei McKinsey eine Banking-Startup gegründet. Sie werden sich nach und nach einarbeiten. Es liegt an ihnen zu entscheiden, was sie benötigen, wie sie sich im Einklang mit der Bankstrategie einbringen können. Wir werden ihnen kein Regelwerk aushändigen und sie zwingen, dieses zu befolgen, das wäre ein restriktiver Ansatz.
Können Sie sich vorstellen, dass eine Person, die nicht zur Familie gehört, die Leitung der Bank übernimmt?
Sicher nur vorübergehend. Übernimmt eine externe Person die Leitung einer Familienbank, stellt dies ein Reputations- und Finanzrisiko dar. Man kann sich leicht vorstellen, dass Konflikte in Bezug auf die Risikobereitschaft entstehen. Geht etwas schief, kann ein externer CEO beschliessen, die Bank zu verlassen und es ist dann Aufgabe der Familie, das Problem zu lösen. Deshalb ist es mir viel lieber, solange die Familie damit einverstanden ist, die Geschäftsleitung auszuüben, statt jemanden ausserhalb der Familie damit zu beauftragen.