Mit der Corona-Pandemie hat sich in Umrissen eine neue Weltwirtschaftsordnung abgezeichnet. Dieser externe Schock, der die Welt zwischen 2020 und 2022 in ihren Grundfesten erschüttert hat, war Auslöser für die Herausbildung einer neuen globalen Ordnung.

Die Welt ist auseinandergebrochen, und diese Fragmentierung hat die Kluft noch grösser werden lassen zwischen den Ländern, die von dieser Entwicklung profitieren, und den Ländern, die sich damit eher schwertun, zu denen auch ein kränkelndes Europa gehört. An der Schwelle zu einer neuen Ära stellt sich daher die Frage, wie die Schweiz als Finanzplatz in einer Welt mit vielen Bruchlinien weiterhin auf Erfolgskurs bleiben kann?

Der sprunghafte Anstieg des Konsums von vier Milliarden Menschen nach dieser langen, bislang beispiellosen Lockdown-Phase hat einen Inflationsschock ausgelöst – eine Gefahr, die man längst gebannt glaubte. Zur Inflationsbekämpfung haben die Zentralbanken mit Zinserhöhungen schwere Geschütze aufgefahren. Das Anziehen der Zinsschraube hatte jedoch unweigerlich einen wachstumsdämpfenden Effekt und hinterliess insbesondere in Europa starke Bremsspuren.

Defizite

Mit der schrittweisen Normalisierung der Zinsen sind vor allem die riesigen Defizite in allen Ländern in den Vordergrund gerückt, die Spätfolgen des grossen Kraftakts, die Wirtschaft während der Pandemie auf Kurs zu halten. Während die Märkte in den USA hohe Defizite tolerieren, werden mit Blick auf Europa offenbar andere Massstäbe angelegt, scheinen diese dort doch eher struktureller Natur zu sein. Auch steht hier keine Reservewährung wie der US-Dollar im Hintergrund.

Die Schweiz hingegen zeigt sich resilient, dank soliden Fundamentaldaten und stabilem Schweizer Franken, der sich zu einem sicheren Hafen am Devisenmarkt entwickelt hat.

Sie weist keine strukturellen Defizite auf, was ihr in Zeiten der Wachstumsschwäche grossen Handlungsspielraum verschafft. Inflationäre Tendenzen sind in der Schweiz bislang kaum spürbar geworden, sodass die Schweizerische Nationalbank (SNB) in der Geldpolitik relativ flexibel agieren konnte.

Langfristig könnte sich der starke Franken aber auch als Handicap erweisen und die Gewinnentwicklung bei den Schweizer Unternehmen belasten. Diese sind damit in Bezug auf ihre Flexibilität und Anpassungsfähigkeit gefordert, um trotz der starken Landeswährung weiter zu wachsen, in einer Zeit, in der ihr wichtigster Handelspartner Europa wirtschaftlich, aber auch politisch und sozial vor enormen Herausforderungen steht.

Mit den Krisen treten die Schwachstellen stärker zu Tage und damit die Polarisierung und die Rezessionsgefahren in Europa. Hier ist denn auch keine einheitliche Wirtschaftsstrategie zu erkennen und es fehlt am gemeinsamen politischen Willen, einem an Strahlkraft verlierenden europäischen Projekt neuen Schwung zu verleihen. Spiegelbild dieser zunehmenden Schwäche ist die Entwicklung des Euro.

Das Vereinigte Königreich wiederum hat seine Unabhängigkeit mit dem Brexit teuer erkauft. Der Weg aus der Krise führt dort 2025 nur über wieder höhere Investitionen der Unternehmen. China, früher Wachstumsmotor der Weltwirtschaft, zeigt mittlerweile Lähmungserscheinungen infolge des staatlichen Interventionismus. Seit der Pandemie hat das Land viel Vertrauen verspielt. Mit wohlfeilen Absichtserklärungen wird Peking hier nicht mehr weiterkommen. Nur mit einem echten Politikwechsel kann das Land seine Glaubwürdigkeit wiedererlangen. Indien hingegen entwickelt sich zu einer der führenden Volkswirtschaften Asiens. Mit seinem kräftigen BIP-Wachstum rückt das Land weiter an die Spitze. In Japan fasst die Wirtschaft nach Jahrzehnten der Deflation wieder Tritt.

In diesem neuen, durch ein starkes Wachstumsgefälle innerhalb der OECD, eine endemische Schuldenproblematik und ein strukturell höheres Zinsniveau geprägten Zyklus setzen die Länder zur wirtschaftlichen Stabilisierung auf nationalen Rückzug. Die Rückkehr des Protektionismus besiegelt damit das Ende der Globalisierung als stärksten Wachstumsmotor der Weltwirtschaft.

Nur besonders agile Volkswirtschaften zählen hier zu den Gewinnern. Die USA, stärker denn je, profitieren vom Technologieboom, der das Wirtschaftswachstum ankurbelt und finanziert. Die Wiedereinführung von Zöllen als Waffe bei Handelsstreitigkeiten, insbesondere zwischen den USA und China, stärkt die amerikanische Vormachtstellung zusätzlich.

Glaubwürdigkeit

Auch die überall zu beobachtenden populistischen Tendenzen spiegeln den unaufhaltsamen Vormarsch des Nationalismus wider. Die Haltung, die in den Äusserungen führender Politiker zum Ausdruck kommt, sorgt für wachsende Unsicherheit im Hinblick auf ihre politische und wirtschaftliche Orientierung und stellt die Öffnung des jeweiligen nationalen Marktes in Frage. Die Zeitenwende durch den Krieg in Europa hat eine höhere Priorisierung der Verteidigungsausgaben in den Staatshaushalten zur Folge. Der Ukrainekrieg erfordert Korrekturen an der bisherigen Doktrin in Europa, mit dem Wunsch nach grösserer Autonomie, auch im NATO-Verbund, aber auch im Hinblick auf die technologische Entwicklung.

In dieser Zeit grosser Umwälzungen zeichnet sich die Schweiz dadurch aus, dass sie offenbar ihre Glaubwürdigkeit wahren konnte.

Einer neuen Studie von Deloitte Suisse* zufolge konnte sie 2024 ihre Führungsposition in der internationalen Vermögensverwaltung nach Grösse und Wettbewerbsfähigkeit behaupten.

Der Finanzplatz Schweiz hat sich in einer globalisierten Welt jahrzehntelang erfolgreich weiterentwickelt. Die neue Herausforderung besteht nun darin, in einer durch und durch fragmentierten Welt – in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem geschwächten und mit einem Krieg beschäftigten Europa und in der Auseinandersetzung mit Akteuren einer neuen Ordnung wie Singapur und den Vereinigten Arabischen Emiraten – wettbewerbsfähig zu bleiben. Autonomie, Unabhängigkeit und Reaktionsschnelligkeit der SNB gewährleisten Stabilität und Glaubwürdigkeit der Schweiz sowie ihrer Wirtschaft und Währung. Die Wahrung ihrer Integrität, ihrer Neutralität und politischen Kontinuität ist und bleibt für die Beibehaltung ihrer Sonderstellung unabdingbar.

*The Deloitte International Wealth Management Centre Ranking 2024, Jean-Francois Lagassé und Patrik Spiller, Oktober 2024