Le Temps (18.05.2020) - Die Covid-19-Krise hat viele Teile der Wirtschaft stark in Mitleidenschaft gezogen.

Sie hat uns auch Bescheidenheit gelehrt, sei es weil wir mit ihrer Ungewissheit leben müssen, sei es weil sie unsere Schwächen ans Licht brachte. Während die Schweiz sich langsam aus dem Lockdown befreit, ist es Zeit, eine erste Bilanz für den Bankensektor zu ziehen. Dabei können wir uns einmal mehr über die Widerstandsfähigkeit unserer Branche freuen.

Es drängt sich die Feststellung auf, dass die Schweizer Wirtschaft einen hohen Preis für die erzwungene wochenlange Stilllegung zahlen wird. Sie dürfte laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) um 7% bis 10% schrumpfen. Im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen, wie das verarbeitende Gewerbe oder der Dienstleistungssektor, die hart getroffen wurden, steht die Bankbranche zumindest zurzeit noch privilegiert da.

Doppelbelastung für die Banken

Die Banken, wichtiger Pfeiler der einheimischen Wirtschaft, der 5% des BIP (CHF 33,2 Milliarden Franken in 2019) stellt, hatte wie alle mit Turbulenzen zu kämpfen. Doch sahen sie sich mit einer doppelten Krise konfrontiert.

Die Pandemie, die in erster Linie eine Gesundheitskrise ist, stellte nicht nur für ihre Angestellten, sondern auch für ihre Organisation eine Bedrohung dar. Zum ersten Mal mussten die Banken ihre Business Continuity-Pläne umsetzen und zur Verhinderung eines Geschäftsunterbruchs fast ihre gesamte Belegschaft ins Home-Office schicken. Während der Kampf der ersten Stunde ihre gesamte Aufmerksamkeit beanspruchte, sahen sie sich einer so plötzlichen wie heftigen Finanzkrise gegenüber. Es wurde eine der schlimmsten in der Geschichte der Börsen, mit hohen Verlusten, hochschiessender Volatilität und einem Zusammenbruch des Ölpreises. In diesen stürmischen Wochen mussten die Banken die Marktentwicklung ergründen, ihre Kunden informieren und beraten und die Kontinuität ihrer Geschäftstätigkeit gewährleisten.

Dass sie diese Doppelbelastung meistern konnten und gleichzeitig die Folgen dieser aussergewöhnlichen Krise abfedern halfen, erwies sich für die gesamte Wirtschaft als positiv.

Corona-Kredite

Gerade weil viele Banken diesem Schock standhielten, konnten sie an der Seite des Bundesrates Verantwortung übernehmen, als im März die Überbrückungskredite für die KMU, denen eine Liquiditätsverknappung drohte, organisiert wurden. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Corona-Kredite dank der ausgezeichneten Zusammenarbeit zwischen Bund und Banken in Rekordzeit auf die Beine gestellt wurden. Als Bindeglied zwischen Bund und Wirtschaft stellten die Finanzinstitute ihre Infrastruktur, ihr Know-how, ihre Erfahrung bei der Kreditvergabe und einen Teil ihrer Teams zur Verfügung. Auch im Ausland kamen ähnliche Initiativen zustande, die allerdings oft ins Schleudern gerieten oder gar als Fiasko endeten. Man denke an die USA, wo die erste Version eines Unterstützungsplans für die KMU fehlgeleitet wurde und den Grossunternehmen zuteil kam.

Die Rolle der Banken als stabilisierende Kraft der Wirtschaft misst sich auch an ihrer Widerstandsfähigkeit als Arbeitgeber. Der Bankensektor, der gesamtschweizerisch mehr als 5% der Arbeitnehmer und im Kanton Genf bis zu 12% (inklusive der Versicherungen) beschäftigt, hat bisher am wenigsten Kurzarbeit beansprucht und keine Entlassungen bekannt gegeben.

Spenden für die Forschung

Einige Banken haben ihr Verantwortungsbewusstsein über ihre eigene Organisation hinaus wahrgenommen. Meist diskret haben sie mehrere Millionen Franken gespendet, welche der Forschung zum Coronavirus, dem Pflegepersonal oder der Unterstützung von besonders hilfsbedürftigen Personen zugutekamen.

Ob Bewährungsprobe oder Belastungstest in Lebensgrösse für Wirtschaft und Finanzmärkte, die Covid-19-Krise beweist, dass die Banken aus der Vergangenheit gelernt haben. Im Gegensatz zu 2008 hat diese Krise ihren Ursprung nicht an den Finanzmärkten. Doch darf weder das Risiko einer erheblichen Schwächung der Wirtschaft durch wochenlanges Stillstehen, noch die Gefahr eines Übergreifens auf die Finanzbranche vernachlässigt werden. Die bisher von den Banken an den Tag gelegte Resilienz bestätigt die von ihnen vorgenommenen Veränderungen.

Bescheidenheit

Seit Basel III haben die Finanzinstitute sowohl die Qualität ihrer Eigenmittel als auch die Liquidität ihrer Bilanzen verbessert, und die gesamte Branche hat sich regelmässigen Stresstests unterzogen. Die Pläne zur Gewährleistung ihrer Geschäftskontinuität wurden denn auch im Anschluss an die Krise von 2008 erweitert, ein Umstand, von dem heute der gesamte Sektor profitiert. Die Finanzkrise hatte zudem eine Konsolidierungswelle ausgelöst, sodass die schwächsten Banken von den stärkeren abgelöst wurden. Letztere waren in der Lage, massiv in digitale Technologien zu investieren und sich den neuen Regulierungen anzupassen.

Fazit: Die Schweizer Banken haben über die vergangen Jahre hinweg an Solidität und Flexibilität gewonnen, zwei Eigenschaften, die in den letzten Wochen entscheidend waren.

Noch kann niemand vorhersagen, in welchem Umfang die Branche die Folgeschäden der gegenwärtigen Rezession, die sich als die Schlimmste seit 1929 ankündigt, ertragen kann. Auch die Resilienz hat ihre Grenzen und diese Zeit steht vor allem im Zeichen der Bescheidenheit.

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Bernard Schuster

Group Head of Communications