Finews (28.09.2020) - Adrian Künzi ist bei der Union Bancaire Privée weiter aufgestiegen, wie er im Interview mit finews.ch verrät. Kunden gewinne man nicht mit dem besten Kostensparprogramm, darum werde die Bank weiter investieren.

Herr Künzi, seit über zweieinhalb Jahren sind Sie Chef der Union Bancaire (UBP) in Zürich. Eine Zeit, in der es um die Genfer Bank sehr ruhig geblieben ist.

Die UBP ist keine Bank, die Aufmerksamkeit sucht. Wir fokussieren uns lieber auf die Arbeit mit den Kunden. Denn die Zeiten sind anspruchsvoll. Aber ich stelle fest, dass wir über die Jahre hier in Zürich etwas sehr Schönes aufgebaut haben. Die Coutts-Akquisition liegt nun einige Jahre zurück und aus der UBP Zürich ist eine recht bedeutende und tragfähige Plattform für die ganze Gruppe geworden.

Wir erwirtschaften in Zürich rund einen Drittel des operativen Gewinns unseres Vermögensverwaltungsgeschäfts.

Das ist gemessen an den verwalteten Vermögen ein überdurchschnittlicher Anteil...

Ja, die Plattform in Zürich verwaltet rund 25 Milliarden Franken, gesamthaft sind es in der Gruppe knapp 140 Milliarden Franken, 40 Milliarden davon entfallen auf den Bereich Asset Management. Uns ist es in den letzten Jahren gelungen, eine beträchtliche Anzahl grosser Familien als Kunden zu gewinnen, wie auch eine Reihe von Senior-Kundenberatern. Das schlägt sich auch in einem guten Betriebsergebnis nieder.

Das heisst, die Qualität der Kundengelder hat sich verbessert?

Eindeutig. Die durchschnittliche Account-Grösse ist nun auf rund 5 Millionen Franken angewachsen. Rund zwei Drittel des Neugeldes stammt von den bestehenden Kunden, die unsere Dienstleistungen, Investmentexpertise und Anlagelösungen schätzen und vermehrt nutzen. Dieses Rezept wollen wir nun auch auf andere Standorte übertragen.

Ihre Rolle in der UBP ändert sich demnach?

Ja, seit Anfang September bin ich einer der drei Wealth-Management-Chefs bei der UBP. Das heisst, ich verantworte neben der UBP Zürich auch die Standorte in Lugano, in Luxemburg und in London. Zusammen sind das über 35 Milliarden Franken an Kundenvermögen, also rund ein Drittel der Private-Banking-Assets.

«Ich habe den Grossteil von René Mottas Aufgaben übernommen»

Wir haben vor, dass wir die in Zürich nach der Integration der Coutts-Übernahme aufgebaute Expertise nun auch auf diese Standorte übertragen helfen, die nach einer Reihe von Übernahmen in ihrer Entwicklung vielleicht noch nicht ganz so weit sind. Zweitens wollen wir mit dieser Organisation die Zusammenarbeit zwischen den UBP-Buchungszentren in Europa und der Schweiz intensivieren.

Die UBP hat drei Wealth-Management-Chefs: Das heisst, dass die Position von Michel Longhini nach seinem Abgang letztes Jahr nicht ersetzt worden ist?

Das ist richtig. Das Wealth Management steht nun unter einer regionalen Führung: Asien mit Michael Blake, Schwellenländer und der Hauptsitz Genf mit Nadège Lesueur Pène und Europa unter meiner Leitung. Das verleiht unserer Organisation eine höhere Flexibilität und wir als Wealth-Management-Heads können näher bei den Kunden sein.

Sie haben demnach die Position von René Mottas übernommen und sind jetzt in die Geschäftsleitung der UBP aufgerückt.

Richtig. Ich habe den Grossteil von René Mottas Aufgabenportefeuille und Reportingpflichten an den CEO übernommen.

An die grosse Glocke wurde das nicht gehängt.

Wie gesagt, wir suchen die Aufmerksamkeit nicht. Es handelt sich um organisatorische Veränderungen, und wir machen die notwendigen Anpassungen, um unsere Effizienz und Kundennähe zu verstärken.

Ging das Wachstum der Kundengelder auch mit der Akquisition von Beraterteams einher?

Wir haben uns punktuell mit Kundenberatern verstärkt. Zwar hat die UBP im ersten Halbjahr 2020 einen relativ stärkeren Fokus auf die Kosten gelegt, doch das bedeutet nicht, dass wir nicht auch gezielt investieren können und möchten.

«Solche Kunden kann man nicht mit Effizienzprogrammen begeistern»

Ich persönlich bin der Meinung, dass eine gute Bank immer auch fähig sein muss zu investieren. Gerade in eher schwierigen Zeiten wie jetzt können sich Opportunitäten bieten, sei es, um Berater anzuwerben oder um Kompetenzen an Bord zu holen. Vielleicht sehen wir auch ein Revival der M&A-Aktivitäten. Das ist durchaus möglich.

Wo haben Sie zuletzt investiert?

In Bezug auf neue Kompetenzen: Wir haben in den Ausbau der Private Market-Gruppe investiert, also Private Equity und Private Debt. Auch haben wir das ESG- und Nachhaltigkeitsangebot ausgebaut und Impact-Fonds lanciert, wir haben das Hedgefonds- Team mit Leuten von GAM verstärkt und wir haben das Portfoliomanagement Team deutlich ausgebaut.

Platzt jetzt der Zürcher Standort nicht aus allen Nähten?

Nicht alle diese Leute sind in Zürich angesiedelt. Aber es ist richtig: Wir beschäftigen in Zürich inzwischen über 200 Angestellte, davon arbeiten 100 hier an der Bahnhofstrasse und 100 an der Claridenstrasse, wo wir Büroflächen dazu gemietet haben.

Trotzdem: Im ersten Halbjahr drückte die UBP auf die Kosten. Aus anderen Banken hört man von einem massiven Kostendruck. Müssen Sie nicht auf die Bremse treten?

Schauen Sie, die namhaften Kunden und teilweise grossen Familien, die wir in den letzten Jahren gewonnen haben, sind zur UBP gekommen, weil sie anspruchsvoll sind und unsere einzigartige Expertise und DNA suchen. Solche Kunden kann man nicht mit dem besten Kostensparprogramm und der höchsten Effizienz im Private Banking begeistern, sondern mit Beratern und Experten, die für ihre Themen und Gebiete brennen.

Krisenzeiten sind Zeiten für Spezialisten?

Eindeutig. Die Welt hat sich in den letzten zwölf Monaten fundamental verändert, ganze Industriezweige vollziehen einen fundamentalen Wandel. Als Wealth Manager genügt es schlicht nicht mehr, ein breit diversifiziertes Portfolio anzubieten. Die Ansprüche der Kunden haben sich im Zuge dieser Veränderungen deutlich erhöht, wie auch die Nachfrage nach innovativen Produkten. Risiko-Management ist extrem wichtig geworden, asymmetrische Payoff- Profile müssen standardmässig angeboten werden können etc.

Die UBP ist eine familiengeführte Bank. Sie waren vorher bei Notenstein La Roche CEO einer Genossenschaftstochter gewesen. Ein Unterschied wie Tag und Nacht?

Die Stellen sind tatsächlich sehr unterschiedlich. Gleich geblieben ist mein Anspruch an mich selber, jeden Tag das Beste zu geben für die Kunden und die Mitarbeiter. Aber die Rahmenbedingungen bei einer grossen Retailbanken-Gruppe wie Raiffeisen und einer inhabergeführten grossen Privatbank sind sehr verschieden.

«Wenn eine Bank nicht mehr wächst, werden Kunden unruhig»

Bei der UBP sind die Kundenstruktur und der Entscheidungsprozess ganz anders, wir bearbeiten andere Märkte, und ich kann hier auf sehr erfahrene Senior-Banker und Asset Management-Teams zählen. Das fordert mich natürlich heraus. Aber ich habe diesen Bruch gesucht.

Die raison d'être im Schweizer Private Banking ist Wachstum, Wachstum, Wachstum. Doch die Kundensicht ist vielfach eine andere: Denn Wachstum bedeutet auch mehr Risiko. Wie gehen Sie bei der UBP mit dieser Konstellation um?

Ich beobachte, dass Kunden bei einer Bank sein wollen, die Gewinn erwirtschaftet und solide ist. Dazu gehört auch Wachstum. Wenn eine Bank nicht mehr wächst und nur noch knapp profitabel ist, werden die Kunden unruhig. Auch bei der UBP ist Wachstum wichtig, doch stehen vor allem Nachhaltigkeit und die langfristige Beziehung zum Kunden im Zentrum. An nächster Stelle stehen die richtigen Incentives und ein robustes Risikomanagement.

Werden auch Akquisitionen von der Bestandeskundschaft geschätzt?

Die UBP kann eine Historie mit gelungenen Akquisitionen vorweisen, wie das Schweizer Geschäft von Lloyds und ABN Amro und natürlich von Coutts. Ich bin fest der Meinung, dass neben organischem Wachstum auch das akquisitorische für eine Bank wichtig ist.

«Akquisitionen beinhalten oft ein disruptives Element»

Denn es verleiht einem Unternehmen quasi über Nacht neue Impulse. Akquisitionen beinhalten vielfach ein disruptives Element, im positiven Sinn. Wir sehen das jetzt beispielsweise in London wo wir innerhalb von zwei Jahren den Vermögensverwalter ACPI und das Wealth Management von Jefferies erworben sowie in Luxemburg, wo wir die Banque Carnegie übernommen haben.

Löst die Coronakrise auf dem Schweizer Markt eine neue Konsolidierungswelle aus?

Nicht in der nahen Zukunft. In der Schweiz ist diesbezüglich bereits einiges geschehen. Punktuell könnten sich künftig wieder Opportunitäten für einen Zukauf ergeben – diese würde die UBP sicherlich prüfen.

Schweizer Banken haben mangels anderer Wachstumsmöglichkeiten das Geschäft in weniger entwickelten Märkten forciert, beispielsweise in Lateinamerika. Dabei ist man deutlich höhere Risiken eingegangen, wie zahlreiche Geldwäschereiverdachtsfälle zeigen. Wie geht die UBP mit Risikokunden um?

Mit einer bewussten Vorsicht. Meine Beobachtung ist, dass das Management solcher Risiken eine bestimmte Mindestgrösse pro Markt erfordert, um eine genügend tiefgehende Expertise für den jeweiligen Markt zu haben. Die Grösse einer Privatbank genügt aber nicht. Man muss auch Kundenberater mit dem richtigen Mindset haben, die mit einer vorsichtigen Einstellung potenzielle Risiken einschätzen und sorgfältig überprüfen.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass die Kundenfront mit der Compliance in einem permanenten und aktiven Dialog stehen muss. Sehr oft fehlt es gerade an diesem letzten Punkt.

Noch ein Ausblick: Viele Schweizer Privatbanken streben mittels Digitalisierung eine Differenzierung ihres Geschäftsmodells an, suchen neue Kundensegmente oder gründen eine Digitalbank. Was tut die UBP?

Digitalisierung ist bei der UBP natürlich ein dominantes Thema. Aber für uns bedeutet Digitalisierung, dass wir unser Angebot und die Dienstleistungen für die bestehenden Kunden grundsätzlich verbessern wollen. Aber wir bleiben unserem Geschäftsmodell und unseren Kundensegmenten im Wealth Management und im Asset Management treu. Wie unser CEO immer wieder betont: «Vertrauen kann man nicht digitalisieren».