Handelszeitung (04.12.2020) - In der Regel verzeichnen Unternehmen kleiner und mittlerer Kapitalisierung – sogenannte SMID Caps – höhere Wachstumsraten und Renditen als Grosskonzerne. Darüber hinaus ermöglichen sie Anlegern eine Ausrichtung auf wichtige langfristige Wachstumstrends. Es bedarf aber eines sehr disziplinierten Selektionsverfahrens, um die Unternehmen mit den besten Aussichten, d. h. mit einem qualitativ hochwertigen Wachstum, zu identifizieren.
Das Universum der SMID Caps ist so weitläufig und diversifiziert, dass einige Investoren sich nach wie vor nur vorsichtig vorwagen. Zu Unrecht, denn mittelgrosse Werte bringen den Anlegern eindeutige Vorteile, die ihre Beimischung in einem Portfolio rechtfertigen, vorausgesetzt die Titelauswahl stützt sich auf strikte Vorgaben. Denn nicht alle SMID Caps bieten Innovation und Wachstumspotenzial. Die versteckten Perlen zu finden erfordert einen selektiven und langfristigen Ansatz. Dies ist umso wichtiger, da für SMID Caps in der Regel weniger Analystenberichte erstellt werden und sie noch nicht die Reifephase erreicht haben. Auf diese Weise können erfahrene Anleger Marktineffizienzen aufdecken, die attraktive Einstiegsmöglichkeiten darstellen.
SMID Caps weisen einen langfristig ausgezeichneten Leistungsausweis auf. In Europa haben sie regelmässig eine bessere Wertentwicklung verzeichnet als das Segment der grossen Börsenkapitalisierungen, selbst in einem derart ungewöhnlichen Jahr wie 2020. Wie alle börsennotierten Aktien, waren auch SMID Caps von starker Volatilität geprägt. Grund dafür ist die weit verbreitete Besorgnis um die Auswirkungen der Pandemie auf die Weltwirtschaft und die Geschäftstätigkeit der Unternehmen. Im MSCI Europe Small Cap Index sind fast 1’000 börsennotierte Unternehmen aus 15 europäischen Ländern vertreten. Das SMID-Cap-Segment bekam die Kollateralschäden der ersten Coronawelle ebenfalls zu spüren und wurde im ersten Quartal sehr hart getroffen. Seit dem Tiefstand im März konnte es aber kräftig aufholen und den breiten MSCI Europe Index übertreffen.
Die bessere Wertentwicklung lässt sich durch die Konzentration der Renditen an den europäischen Aktienmärkten und die Zusammensetzung der Sektoren im Anlageuniversum der SMID Caps erklären. Stärker wachstumsorientierte Firmen, die auf langfristige Trends ausgerichtet sind, denen die Pandemie zusätzlichen Schub verleiht, machten kräftige Fortschritte. Im Gegenzug lagen Sektoren, deren Geschäftstätigkeit von den Lockdowns stark eingeschränkt wurde, im Rückstand.
Im Universum der europäischen SMID Caps sind wesentlich mehr Unternehmen in innovativen und bahnbrechenden Sektoren wie Technologie, Ausrüster im Gesundheitswesen, Maschinenbau, saubere Technologien, Kommunikationsdienste und Online-Handel tätig. Sie wirken oft in Marktnischen, was ihnen einen grösseren Schutz vor wirtschaftlichen Turbulenzen verleiht. Eher traditionelle Bereiche der «alten Wirtschaft» wie Banken, Versicherungen, Öl & Gas, Telekommunikation, öffentliche Versorgung und Automobile, die unter der gegenwärtigen Disruption leiden, sind weniger stark vertreten.
In der Schweiz sind viele SMID Caps in verschiedenen Sektoren Spitzenreiter der Innovation. Die Medizintechnik, die von einem besonders soliden Ökosystem profitiert, zählt mehrere Schwergewichte der Zürcher Börse, aber auch eine Anzahl kleine und mittelgrosse Player. Einige sind bestens positioniert, um sich an der Bekämpfung der Pandemie zu beteiligen, was sich bereits in diesem Jahr in ihrem Aktienkurs widerspiegelt hat.
Der Schweizer SMID Caps Markt bietet weitere Vorteile: die politische Stabilität, der Status als sicherer Hafen des Schweizer Frankens, die niedrige Verschuldungsrate des Landes und die erwiesene Fähigkeit der Schweizerischen Nationalbank, mit externen Schocks umzugehen. Auf lange Sicht hat das Schweizer SMID-Cap-Segment – wie das grosskapitalisierte Segment – dank seiner Partizipation an Marktrallys und seiner besseren Widerstandskraft bei Turbulenzen und Korrekturen die meisten regionalen und globalen Indizes übertroffen. In 2020 zeichneten sich sowohl der SPI als auch der SPI Extra (der die SMID Caps abbildet) durch ihre Resilienz aus.
Anleger sollten bei der Titelselektion einerseits die Sektoren analysieren, in denen die ins Auge gefassten Unternehmen tätig sind, da sie das langfristige Wachstumspotenzial bestimmen. Andererseits sollten sie auch den Fokus auf bestimmte Fundamentaldaten richten, von denen die meisten auf jeder Standardprüfliste stehen sollten: eine robuste Finanzbasis, eine starke Geschäftsleitung und Wettbewerbsvorteile. Um die SMID Caps mit den besten Aussichten zu identifizieren, sollten sie aber etwas mehr in die Tiefe gehen und auch die ESG-Faktoren Umwelt, soziale Aspekte und Governance (Unternehmensführung) sowie Wertentwicklung, Kapitalrenditen (CFROI, cash flow return on investment) und Ausgaben für Forschung & Entwicklung miteinbeziehen.
Damit können Anleger nicht nur das grösstmögliche langfristige Wertschöpfungspotenzial einfangen, sondern auch verantwortungsvoll handeln, indem sie Unternehmen unterstützen, die am meisten zu einer gerechteren Welt beitragen werden.