Institutional Money (27.01.2021) - Trotz zunehmend steigender Coronainfektionen gegen Jahresende schlossen die Märkte für Risikoanlagen das Jahr 2020 in guter Stimmung ab, da der Beginn der Impfungen in den USA und Großbritannien die Anleger zuversichtlich stimmte.
Ebenfalls positiv anzumerken: Sowohl in den USA als auch in der Eurozone kamen Ende 2020 nach harten Verhandlungen wichtige Vereinbarungen zustande, wodurch sich die Aussichten für das kommende Jahr aufhellten. Insbesondere wurde in den USA ein weiteres Corona-Konjunkturpaket verabschiedet, und Großbritannien und die EU einigten sich vor Ablauf der Frist zum Jahresende endlich auf die Bedingungen eines Brexit-Handelsabkommens.
Mit Blick auf 2021 gehen wir von einem anhaltenden globalen Aufschwung aus, mit Voranschreiten der Impfkampagne werden die Länder doch Schritt für Schritt wieder zur Normalität zurückkehren können.
Die für das erste Quartal zu erwartende Konjunkturverlangsamung, die die Staaten mit den erneuten Lockdown-Maßnahmen in Kauf genommen haben, ist unseres Erachtens hingegen nur als kurzfristiges Störfeuer anzusehen. Von einem nachhaltigeren oder langfristigen Konjunkturrückgang ist somit eher nicht auszugehen. Darüber hinaus dürfte der expansive Kurs in der Geldpolitik – auch wenn die Zeit der Ankündigung umfangreicher Lockerungsmaßnahmen weitgehend vorüber ist – fortgesetzt werden. Eine noch größere Rolle dürfte künftig unterdessen der Fiskalpolitik zukommen. Nach dem „Blue Sweep“ – dem Sieg der Demokraten nicht nur bei der Präsidentschaftswahl, sondern auch beim Kampf um die Mehrheitsverhältnisse in Repräsentantenhaus und Senat – steht einem neuen Konjunkturpaket nichts mehr im Wege.
Obwohl sich die Märkte derzeit stark damit beschäftigen, welche Risiken in Zusammenhang mit einem Zurückfahren der Anleihekäufe durch die Fed bestehen, steht eine Diskussion über das Thema unserer Meinung nach jetzt noch nicht an. Die Fed betonte in ihrer letzten Sitzung des Jahres noch einmal den von ihr eingeschlagenen expansiven Kurs. So lässt der aktualisierte Dotplot der Notenbank erkennen, dass sie die Zinsen über den Prognosezeitraum unverändert bei einer Untergrenze von null Prozent sieht. Die Inflationsrate würde demnach ihren Zielwert erst im Jahr 2023 wieder erreichen. Dies ist ein klarer Hinweis darauf, dass in naher Zukunft wohl kaum mit einem starken Zinsanstieg zu rechnen ist. Noch deutlicher wird dies bei der Betrachtung der Enhanced Forward Guidance der Fed. Darin sprechen sich die Währungshüter für eine gewisse Zeit für eine etwas über 2% liegende Inflation aus, sodass sich auf längere Sicht im Durchschnitt eine Teuerung um 2% ergibt. Mit dieser Neuausrichtung auf ein durchschnittliches Inflationsziel und mit der Verlagerung der Priorität in der Arbeitsmarktbetrachtung weg von Abweichungen („deviations“) nach unten oder oben und dafür hin zu einer reinen Konzentration auf eine Unterschreitung („shortfall“) des maximalen Beschäftigungslevels ist vonseiten der Fed künftig mit einem geduldigeren Vorgehen zu rechnen. Ohne spürbaren Druck auf Inflation und Arbeitsmarkt zugleich wird sie ihre Zinszügel vorerst also wohl nicht wieder anziehen. Trotz Fortschritten an der Impffront machte die letzte Pressekonferenz deutlich, dass dem Fed-Vorsitzenden Powell die kurzfristigen Auswirkungen des erneuten Anstiegs der Coronafälle größere Sorgen bereiten als der mittelfristige Positiveffekt durch die Bereitstellung von Impfstoffen.
Wir sind der Ansicht, dass dieses Umfeld – getragen von den durchgeführten Schutzimpfungen und weiteren konjunkturstimulierenden Maßnahmen in den USA – den Märkten Spielraum für eine Aufwärtskorrektur der Wachstumserwartungen für 2021 bietet. Für Anleger ist in unseren Augen der knappe Blue Sweep günstig. Denn so kann Biden wachstumsfördernde Maßnahmen wie die Erhöhung der Staatsausgaben und eine Abkehr vom Konfrontationskurs mit China durchsetzen, während es ihm für einige seiner weniger marktfreundlichen Pläne wie massive Steuererhöhungen und einschneidende Gesetzesänderungen an der nötigen Unterstützung mangelt. Zudem sehen wir mit Blick auf 2021 im Vergleich zum Vorjahr weniger Risikoereignisse, die eine entsprechende Positionierung der Anleger erfordern würden. Dies sollte die Volatilität gering halten, insbesondere angesichts der anhaltenden Interventionen der großen Zentralbanken, die in Phasen erheblicher Spread-Ausweitungen eine mäßigende Wirkung hatten und gleichsam eine Untergrenze für die Credit-Märkte eingezogen haben. Dadurch verringern sich einige der Tail Risks für Unternehmensanleihen, die zudem von der oben beschriebenen Konstellation eines anziehenden Wachstums, eines abflauenden Event-Risikos und politischer Unterstützung profitieren dürften, sodass sich Anleger weiterhin das Carry-Potenzial zunutze machen können.
Angesichts der Erwartung eines weiteren großen US-Konjunkturpakets zur Abmilderung der Pandemiefolgen und der Hoffnung, dass sich die für das erste Quartal erwartete Konjunkturabkühlung mit der fortschreitenden Erhöhung der Impfquoten als vorübergehend erweisen wird, dürfte aufgrund des günstigen Risikoumfelds auch an den Zinsmärkten – angeführt vom langen Ende der Zinskurve, an dem reflationäre Kräfte wirken – noch mehr Luft nach oben sein.
Letztendlich gehen wir nach dem anfänglichen Ausverkauf jedoch von einem begrenzten Spielraum für höhere Zinsen aus, da der Inflationsdruck unseres Erachtens vorübergehender Natur ist und weniger strukturell bedingt als auf Angebotsengpässe in Folge der Pandemie zurückzuführen ist. Der hier beschriebene Zinsanstieg wird unserer Einschätzung nach geordnet ablaufen – als Reaktion auf die höheren Wachstumserwartungen. Eine Einengung der Credit Spreads dürfte somit weiterhin möglich sein.
Philippe Gräub
Head of Global & Absolute Return Fixed Income
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Bernard McGrath
Investment Specialist
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