Börsen-Zeitung (07.02.2022) - Klimaneutralität ist gut und recht, muss aber mit einer «naturpositiven» Entwicklung einhergehen, erklärt Victoria Leggett, Expertin für Impact-Investing bei UBP.
Im Bereich der Nachhaltigkeitsinvestments dreht sich viel um Klimaschutz, CO2-Neutralität und erneuerbare Energien. Doch zu ESG gehören auch Umwelt und Natur, die bislang als Investmentthema eine untergeordnete Rolle spielen. Victoria Leggett von der Schweizer Privatbank UBP managt einen der wenigen Biodiversitätsfonds, der Ende 2021 lanciert wurde. Aus ihrer Sicht wird das Thema bald einen Stellenwert einnehmen wie der Klimawandel.
Frau Leggett, Biodiversität als dezidiertes Investment ist vergleichsweise neu in der Fondsbranche. Sind die Themen wie Schutz und Förderung von Ökosystemen, natürlichen Lebensräumen und Artenvielfalt nicht ein sehr enger Fokus für einen Fonds?
Biodiversität steht bei uns für die Natur, so muss man an das Thema rangehen. Wir sind sicher, dass die Aufmerksamkeit für Biodiversität steigen wird, das ist ein starker Trend. Natürlich ist das Anlageuniversum kleiner als bei einem breiten ESG-Ansatz, aber wir haben festgestellt, dass die Möglichkeiten ausreichend sind und sind zuversichtlich, in diesem Segment diversifiziert investieren zu können. Bei uns stehen Schutz und Erhalt der Umwelt im Vordergrund. Das überschneidet sich zum Teil natürlich mit Umweltfonds.
Was meinen Sie mit diversifiziertes Portfolio?
Ausreichend breit, aber konzentriert. Das Portfolio setzt sich aus 45 bis 55 Unternehmen unter anderem aus den Bereichen nachhaltige Bewirtschaftung von Ressourcen, grüne Städte und der nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion zusammen. Es geht darum, die Entwicklung der Wirtschaft in Richtung einer naturpositiven Entwicklung zu fördern.
Wo sind besondere kritische Punkte?
Eine wichtige Branche ist die Chemie, deren Einfluss sehr kritisch ist für die Biodiversität. Hier suchen wir nach Lösungen. Und wenn man beispielsweise alle Probleme im landwirtschaftlichen Bereich lösen würde, wie etwa das Thema Pflanzenschutz, dann gäbe es mit der Biodiversität auch kein Problem.
In welchen Sektoren werden Sie fündig und wie unterscheidet sich der Ansatz von herkömmlichen ESG-Portfolios?
Grundsätzlich kann jede Firma in einem ESG-Universum ein Platz haben im Sinne eines Best-in-Class-Ansatzes. Natürlich gibt es in traditionellen ESG-Fonds Ausschlüsse, bei denen zum Beispiel Tabak-Aktien verbannt werden. Das ist bei uns anders, denn auch ein Unternehmen mit dem besten ESG-Ratings kann im Rahmen von Biodiversität keine Rolle spielen.
Noch mal zu den Sektoren, kann man das herunter brechen?
Da gibt es kein typisches Muster. Es sind Sektoren mit Innovation beispielsweise die Industrie, wo wir übergewichtet sind. Da sind auch eine Menge Technologie-Aktien dabei. Es gibt zudem einen Platz für Finanzwerte, sofern sie den Wandel in Richtung Natur finanzieren und Biodiversität fördern. Wenig überraschend ist, dass wir kaum aktiv sind in den Branchen im Öl und Gas.
Um welche Unternehmen geht es konkret?
Das US-Wasserreinigungsunternehmen Evoqua hat ein einzigartiges Geschäftsmodell in der Behandlung von städtischen und industriellen Abwässer. Je sauberer das Wasser ist, desto besser für die Biodiversität. Solch ein Unternehmen ermöglicht es vielen Industrieunternehmen sauberer zu werden. Sims Metal ist eine australische Firma, die sich mit Elektroschrott beschäftigt. Die riesige Menge von kleinen Geräten wäre ohne Recycling eine Belastung für die Natur.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit Cambridge Conservation Initiative und Peace Parks Foundation? Welchen Einfluss haben diese Organisationen?
Der Einfluss ist sehr stark, aber wir sind natürlich die Fondsmanager und treffen die Entscheidungen. Nichtsdestotrotz helfen uns die NGOs intensiv dabei, beispielsweise Daten zu validieren. Glaubwürdigkeit ist uns wichtig und daher arbeiten wir gerne mit den beiden Organisationen zusammen. Wir spenden außerdem 25 % unserer Managementfee an die beiden Organisation.
Wie misst man Biodiversität?
Es gibt im Bereich Biodiversität keine eindeutig definierten Größen, und die Messbarkeit ist oft ein Problem. Das ist beim Klimaschutz anders. Doch klar ist, dass Klimaneutralität und Biodiversität eng zusammenhängen. Diese Sichtweise hat die Branche noch nicht verinnerlicht. Unser Ansatz ist es, viel mit den Unternehmen zu sprechen und ein intensives Engagement zu betreiben.
Bekommen Sie dann die benötigten Daten von den Unternehmen direkt?
Das wäre schön, aber das Engagement ist keine schnelle Abkürzung auf dem Weg zu Daten. Es geht darum, langfristig Beziehungen zu den Unternehmen aufzubauen und sie zu ermutigen, in dem Bereich Biodiversität weiter voranzukommen.
Wie hilfreich sind ESG-Ratings im Bereich der Biodiversität?
Wir benutzen Sie, aber ich bin sehr vorsichtig. Es ist keine wirkliche Lösung für das Daten- und Informationsproblem bei Biodiversität und Impact Investing. ESG-Ratings verzerren zudem, da große Unternehmen bevorzugt werden und es bei Nebenwerten viele Lücken gibt. Das sind gerade Firmen, die in unserem Fokus sind. Bei den Small-Caps finden sich oft Unternehmen mit sehr interessanten Produkten, die aber keine Ressourcen für ESG-Informationen haben. Daher halten wir schon mal die Hand über solche Perlen und versuchen diese als Investoren aktiv zu begleiten.
Sie sagen, dass mehr als die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung von der Natur abhängig sei?
Ist das nicht übertrieben? Viele Bereiche haben eine direkte und indirekte Verbindung zur Natur. Wenn man alles zusammenzählt, kommt man zu diesem Ergebnis. Wir müssen uns alle an das Schlagwort naturpositiv gewöhnen. Die Branche ist bei Biodiversität fünf Jahre hinterher im Vergleich zum Klimaschutz. Man wird das hoffentlich aufholen, denn jetzt kommt eine Dekade der Ökosysteme, in der es um die Wechselwirkung von Klimaschutz und Natur geht. Es ist Zeit, bei Anlagen den Fokus von klimaneutral um den Aspekt naturpositiv zu erweitern. Das Momentum ist enorm und wird von globalen Initiativen wie der UN sowie der COP15 gefördert. Die damit einhergehenden Regulierungen und Investitionen dürften das Anlageuniversum und damit letztlich die Ertragschancen vergrößern.
Victoria Leggett
Head of Impact & Portfolio Manager
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