Le Temps (02.03.2020) - Es ist mittlerweile eine Selbstverständlichkeit, dass sich die institutionelle Verwaltung und das diskretionäre Portfoliomanagement gemeinsamer Entscheidungshilfen und Verwaltungsmethoden bedienen.
Dieser Trend hat mit dem Aufbau spezialisierter Teams zur Professionalisierung des diskretionären Portfoliomanagements beigetragen. Zwar hat er auch zu einer Annäherung der Tätigkeiten des Asset Management (AM) und des Wealth Management geführt, doch weist das Anlegerprofil in jedem dieser beiden Bereiche seine Eigenheiten auf, denen Rechnung zu tragen ist.
Eine Angleichung der Methoden heisst allerdings nicht Übereinstimmung der Profile: Institutionelle und private Kunden haben eine unterschiedliche Risikowahrnehmung, was weitreichende Konsequenzen für die Portfoliokonstruktion hat. Privatkunden weisen nicht dieselbe Risikotoleranz und den gleichen Anlagehorizont auf wie die institutionellen Kunden. Deshalb müssen die Banken logischerweise die AM-Verwaltungsmethoden auf die Bedürfnisse der Privatkunden abstimmen. Mit der Umsetzung eines institutionellen Ansatzes könnte man den Erwartungen der Privatkunden in Sachen Rendite-Risikoprofil oder eingegangene Marktrisiken nämlich nicht gerecht werden.
Widerstandsfähigkeit vor Performance
Während das Verwaltungsprofil eines institutionellen Kunden in der Regel symmetrisch ist, ist dasjenige eines Privatkunden konvex. Es gilt deshalb, Portfolios zu konstruieren, die gegenüber Marktschocks widerstandsfähiger sind, selbst wenn dies einige Performancepunkte kostet. Diese Asymmetrie ist nur schwer fassbar, denn der psychologische Aspekt darf nicht aussen vor gelassen werden. Die Risikotoleranz eines Privatkunden kann sich nicht nur im Laufe der Zeit, sondern auch nach Marktumfeld verändern. Auch sein Anlagehorizont variiert, bleibt aber kürzer als derjenige des institutionellen Kunden, der per Definition langfristig orientiert ist. Dies lässt sich dadurch erklären, dass der Privatanleger sein eigenes Vermögen aufs Spiel setzt und sich die «Immobilisierungsdauer» des verwalteten Vermögens mit dem Liquiditätsbedarf tendenziell verkürzt.
Zudem verlangt der Privatanleger oft, dass die Performance seines Portfolios derjenigen der Märkte entspricht, wenn diese günstig tendieren. Dabei vergisst er bisweilen die Opportunitätskosten, die durch das Management dieser Konvexität zwangsläufig anfallen. Um bei einer Markthausse den Grossteil der Performance mitzunehmen, gleichzeitig aber über ein Portfolio zu verfügen, das einer Baisse standhalten kann, empfiehlt es sich deshalb, analog zu einer Call-Option für den Schutz des Kapitals im Falle eines Marktumschwungs eine Prämie zu bezahlen. Jede Privatbank, die den Anspruch hat, ein modernes diskretionäres und auf die Anforderungen der Privatkunden abgestimmtes Portfoliomanagement zu betreiben, muss daher in der Lage sein, Anlageprozesse zu definieren, die Flexibilität und AM-Verwaltungsmethoden kombinieren.
Eine solche asymmetrische Portfoliokonstruktion beruht zwingend auf einem massgeschneiderten Ansatz – egal ob sie sich an einen ganz bestimmten Kunden oder an eine Kundenkategorie richtet.
Sie stützt sich auf ausgefeilte Risikomanagementmodelle, die quantitative Instrumente einsetzen, um das Verhalten (Risiko/Rendite) der Werte im Portfolio zu analysieren.
Da die Portfolios konstruktionsbedingt konvex sind, sind sie bereits gegen unvorhergesehene exogene Schocks geschützt. Dieser Ansatz hat somit den Vorteil, die Notwendigkeit von Portfolioanpassungen und die taktischen Entscheide zur Verbesserung des «Market Timing» zu beschränken, die sich in Wirklichkeit wertzerstörend für den Kunden auswirken.
Sich vom «Market Timing» zu lösen, bedeutet jedoch nicht, dass es sich um einen passiven Ansatz handelt. Die Verwaltung ist insofern aktiv, als die Asset Allocation und die Portfoliokonstruktion aktiv angepasst werden müssen.
Während das diskretionäre Portfoliomanagement früher in erster Linie direktional war und punktuelle Absicherungen für bestimmte Teile des Portfolios vorsah, müssen zur Erreichung der Asymmetrie neben traditionellen Anlagen auch in hohem Umfang kurzfristige Derivate (über 30%) ins Portfolio aufgenommen werden.
Auf die Dosierung kommt es an
Bei der aktiven Konstruktion eines konvexen Portfolios werden also direktionale, asymmetrische und Absicherungsinstrumente kombiniert. Die direktionalen Instrumente sollen die Partizipation des Portfolios an der Marktperformance fördern, die asymmetrischen Instrumente wiederum ermöglichen eine variable, vom Marktsignal abhängige Partizipation. Die Absicherung ihrerseits erfolgt über den Kauf von Prämien, wobei es letztlich darum geht, das Portfolio in Stressphasen wirksam zu schützen – und dies zu möglichst niedrigen Kosten. Die Kombination dieser drei Instrumente wirkt sich unmittelbar auf die Performance und die Volatilität des Portfolios aus. Die Schwierigkeit besteht somit darin, diese Instrumente fein aufeinander abzustimmen.
Um diese Art von Portfolios – die auch Derivate und Absicherungsinstrumente enthalten – konzipieren zu können, ist es unabdingbar, genau zu wissen, wie sich die einzelnen Instrumente allein und in Kombination miteinander verhalten. Deshalb sind Kompetenzen im quantitativen Management und ein eingehendes Verständnis der Funktionsweise von Derivaten und der Strukturierung von Produkten erforderlich. Dieses Know-how, das sich bis anhin auf die Investmentfonds beschränkte, ist nun in den Vordergrund gerückt.
Die Schweiz als Wiege der privaten Vermögensverwaltung hat in diesem Bereich eine Länge Vorsprung, denn es gibt nur wenige ausländische Privatbanken, die diesen Grad an Know-how und Massarbeit anbieten können. Die Schweizer Banken können diesen Wettbewerbsvorteil somit nutzen, um neue Märkte zu erschliessen, die bisher wenig Interesse am «traditionellen» diskretionären Portfoliomanagement gezeigt haben.
Michaël Lok
Co-CEO Asset Management