Finanz und Wirtschaft (22.01.2022) - Seit Anfang Jahr hat sich der Goldpreis in einer engen Bandbreite zwischen 1’780 und 1’830 US-Dollar pro Unze bewegt.

Darin widerspiegeln sich die bescheidene Aufwertung der amerikanischen Währung seit Januar und die grossen Abwärtsbewegungen der Aktien. Angesichts der schwächeren Aktienkurse erhielt Gold deutlichen Auftrieb. Als Katalysator wirkten dabei höhere Zinsen am kurzen und langen Ende, insbesondere in den USA. So zogen die zweijährigen US-Renditen auf über 1% an, während die zehnjährigen Sätze auf etwa 1,85% kletterten, den höchsten Stand der vergangenen zwei Jahre. In Anbetracht der kräftigen Steigerung der amerikanischen Renditen erwies sich der Goldpreis als ziemlich stark. Mit ein Grund dafür ist wahrscheinlich auch das üblicherweise im Januar beginnende Rebalancing des Rohstoffindex.

Die Zinsen stiegen im Anschluss an den eindeutig schärferen Ton der US-Notenbank. Das Fed hat das Tempo für das Zurückfahren seiner Anleihenkäufe beschleunigt und wird wahrscheinlich später im Sommer mit einer deutlichen Bilanzreduktion beginnen. Die Märkte haben für dieses Jahr bereits fast vier Leitzinserhöhungen in den USA eingepreist. Die Notenbanksitzung am kommenden 26. Januar ist wichtig, denn sie wird den Anlegern Aufschluss über die Möglichkeit einer ersten Anhebung im März geben.

Normalerweise ist eine straffere Geldpolitik keine gute Nachricht für Gold. Höhere Nominal- und Realzinsen schmälern tendenziell die Attraktivität des Edelmetalls, da es keine Rendite abwirft. Bislang hat sich Gold aber gut gehalten, blieb doch die Inflation ungebändigt hoch. Wir rechnen damit, dass die Inflation ab dem zweiten Quartal zu sinken beginnt, was eine Hausse der Realzinsen zur Folge haben wird. Dies sind beunruhigende Aussichten für die Goldpreisentwicklung, und die Anleger täten gut daran, diesen Umstand genau im Auge zu behalten. Demnach dürfte Gold in den nächsten Wochen nicht allzu grosses Haussepotenzial aufweisen. Wir sind der Ansicht, dass das Fed einen schnelleren und aggressiveren Zinserhöhungszyklus ankündigen wird als von den Märkten derzeit erwartet wird. Eine solche Vorgehensweise wird ganz klar nachteilige Auswirkungen auf die Goldpreisentwicklung haben.

Die Anleger halten noch bedeutende Positionen im Gold, sowohl in ETF als auch am Futures-Markt. Die ETF-Bestände verzeichneten seit ihrem Vor-Pandemie-Niveau von etwa 7 Billionen US-Dollar eine Steigerung auf rund 9,7 Billionen US-Dollar. Dies deutet darauf hin, dass viele Anleger aus ihren Goldpositionen aussteigen werden, sobald der Ausblick für die Zins- und Inflationsentwicklung überschaubar wird. In diesem Fall würde sich ganz klar ein Baisserisiko für Gold ergeben, was zu einem Rückgang auf etwa 1‘700 US-Dollar führen könnte.